Die zweite Welle der Corona-Pandemie stellt viele Unternehmen vor große Herausforderungen. Besonders zum Thema Arbeitsrecht gibt es Unsicherheiten und wichtige Fragen. Gibt es im Home Office besondere Regelungen? Welche Rolle spielt ein Hygieneplan vor Ort im Betrieb? Und auf welcher Grundlage sollten Unternehmen Ihre Quarantäne-Vorschriften umsetzen? Wir haben dazu ein Interview mit dem Experten Rechtsanwalt D. Benjamin Alt geführt, der auf die Bereiche Medizinrecht und Arbeitsrecht spezialisiert ist.
Interview mit Rechtsanwalt D. Benjamin Alt
Gibt es nach den öffentlich-rechtlichen Vorgaben für den Teil-Lockdown auch für Unternehmen wichtige Neuerungen im Arbeitsrecht?
„Für Unternehmen gelten die gleichen Regelungen wie im Frühjahr 2020 zum ersten Lockdown. Zum Beispiel die Regelungen zum Thema Kurzarbeit. Der Unterschied ist, dass nun die Quarantäne-Vorschriften viel relevanter sind als noch im Frühling, weil das Infektionsgeschehen zugenommen hat. Diesbezüglich herrscht aktuell auch eine große Unsicherheit in Unternehmen und es entstehen in der Praxis viele Fragen dazu, die auch uns erreichen. Viele Unternehmen versuchen sich zurzeit über das Gesundheitsamt zu informieren, doch die Ämter sind völlig überlastet. Hier empfehle ich als Leitfaden immer die Vorgaben der RKI-Empfehlung umzusetzen. Dann sind Sie auf der sicheren Seite“
Was müssen Arbeitgeber aktuell bei der Erstellung eines Pandemieplans beachten?
„Der Hauptbestandteil eines Pandemieplans sollte ein durchdachtes Hygienekonzept sein, welches die Arbeitnehmer bestmöglich schützt und natürlich auch einer Kontrolle des Gesundheitsamts standhält, damit es nicht zu einer unnötigen Betriebsschließung kommen muss. Das Hygienekonzept ist von Branche zu Branche und von Unternehmen zu Unternehmen individuell. In der Gesundheitsbranche ist beispielsweise ein umfangreicher Hygieneplan erforderlich, der genau regelt, welche Vorkehrungen getroffen werden und wann was desinfiziert wird. Ich empfehle hier immer den Kontakt zur Deutschen Gesellschaft für Hygieneberatung. Das sind Experten zu dem Thema und eine Hygieneberatung bietet Unternehmen wertvolles Know-How und Sicherheit. Und es können spezifisch alle wichtigen Punkte beachtet zu haben. Es werden sogar Mitarbeiterschulungen und Zertifizierungen angeboten. Ein weiterer Punkt, den große Unternehmen in Zeiten einer Pandemie regeln sollte, ist die Leitung des Unternehmens. Wenn es mehrere Geschäftsführer gibt, sollte geregelt sein, dass immer ein Geschäftsführer gesund bleibt, damit das Unternehmen lenkungsfähig bleibt. In der Praxis sieht das dann so aus, dass beide Geschäftsführer zu einem wichtigen Termin mit verschiedenen Verkehrsmitteln anreisen. Wenn nur einer im Flugzeug fliegt und der andere im Auto minimiert sich das Infektionsrisiko.“
Gibt es ein Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerrecht für die Arbeit Home Office?
„Zurzeit wird in der Politik darüber intensiv diskutiert, doch die Meinungen gehen auseinander. Eine klare Regelung gibt es dazu aktuell aber noch nicht. Viele Unternehmen, die schon vor der Pandemie mit verschiedenen Arbeitszeitmodellen gearbeitet haben, konnten sich natürlich leichter auf die Situation einstellen. In unserer Kanzlei haben wir da zum Beispiel schnell flexible Lösungen für unsere Mitarbeiter gefunden. Und es gibt auch zahlreiche Unternehmen, in welchen die Corona-Pandemie die Digitalisierung beschleunigt hat und in welchen das besser funktioniert hat, als erwartet. Da wird es sicher zukünftig mehr Unternehmen geben, in welchen die Arbeit im Home Office ein Bestandteil der Arbeitszeitmodelle ist. Für alle Branchen und Unternehmen ist das aber nicht praktikabel.
Wie sieht es mit dem Arbeits- und Gesundheitsschutz im Home Office aus?
„Der Arbeitgeber hat gegenüber seinen Mitarbeitern eine Fürsorgepflicht und ist verpflichtet, alle erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu treffen – das gilt auch im Home Office. Wichtig hierbei: im Home Office gelten die bestehenden Leitlinien und branchenspezifischen Standards der Berufsgenossenschaften. Spezielle Neuerungen sind in der Zeit der Pandemie bislang nicht eingeführt worden. Was aber nicht immer bedacht wird ist die Arbeitszeiterfassung. Im Home Office gilt das Gesetz zur Arbeitszeiterfassung genauso wie vor Ort im Betrieb. Und das auch für 450 € – Kräfte! Hier wird bei Kontrollen genau geschaut, ob auch der gesetzliche Mindestlohn eingehalten wird.
Welche Arbeitsschutzmaßnahmen sollten Unternehmen für Risikogruppen beachten?
„Wenn Risikopatienten vor Ort im Unternehmen arbeiten, ist auch hier ein durchdachter Hygieneplan die wichtigste Grundlage. Jetzt im Herbst und Winter kommt das regelmäßige Lüften dazu, das sollte unbedingt auch bei der Heizkapazität berücksichtigt werden. Organisatorisch sollten die Teams in kleine Einheiten aufgeteilt werden, um das Ansteckungsrisiko zu minimieren. Und das Unternehmen sollte klare Pausenregelungen treffen.“
Interview: Christina Engel
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